Ein Engel kommt nach Babylon


Premiere: 11.08.1989
Autor:
Friedrich Dürrenmatt
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Eines der zentralen Motive der Komödie ist die Frage nach dem wahren Stellenwert des Menschen. Wer ist ein König, wer ist der Geringste der Menschen? Nebukadnezar verliert beim Wettbetteln und erscheint somit als Ärmster der Armen. Ist es nicht Akki in seiner Ungebundenheit, in seiner Freiheit, der uns als echter König gegenübertritt? Wie armselig wirkt dagegen Nebukadnezar in all seinen Ängsten. Er ist ein Gefangener seiner selbst und muss ständig fürchten, den Thron wieder an seinen Vorgänger Nimrod zu verlieren. Er ist es nicht wert, Kurrubi zu bekommen. Nur Akki kann sie retten, weil er die Freiheit der Welt und die Schönheit der Erde liebt. Die aus dem Nichts erschaffene Kurrubi ist das Symbol der Gnade (Kurrubi = Cherub). Diese Gnade wird dem zuteil, der sich die Freiheit bewahrt hat – und das ist eben der Bettler. König Nebukadnezar, ein gar nicht unsympathischer junger Mann, strebt nicht nur nach Macht, er strebt nach Vollkommenheit. Darum hat er auch die Bettlerei verboten, sie stört seine Vollkommenheit. Wie unfrei aber wirkt Nebukadnezar im Vergleich zum Bettler! Als König hätte er Kurrubi, die er mehr liebt als je einen Menschen zuvor, mit Gold überhäuft, als Geringster der Menschen aber tritt er die Gnade des Himmels mit Füßen. Wie unwichtig der Mensch Nebukadnezar ist, zeigt sich vor allem im dritten Akt, wo er mit seinem Vorgänger Nimrod zu einem Doppelwesen verschmilzt. Stets war das Streben nach Macht, das Bangen um den Thron das gleiche. Daher versagt Nebukadnezar, so wie alle versagen, die nur der Machtgier verfallen. Sein Tun bleibt ohne Gnade. Aus Trotz beginnt er den Turmbau, “mitten in das Herz meines Feindes”. Wie alle seine Unterfangen ist auch dieses zum Scheitern verurteilt. Der Grundgedanke des Stückes zeigt sich auch in den anderen Figuren. Letztlich fehlt allen die Bereitschaft zum Opfer und zum Verzicht. Alle “lieben” Kurrubi, doch keiner kann sich von seinem Besitz, von seinem Geld oder von seinem Ansehen trennen, um in den Genuss der Gnade zu gelangen. So bleibt das Mädchen den Menschen Babylons verwehrt. Als äußeres Zeichen ihrer inneren Unfreiheit werden sie am Ende auch noch von Nebukadnezar in Gefangenschaft gestürzt, er lässt sie “in einen Pferch zusammentreiben”. Über allem schwebt der Engel, anfänglich verwirrt, später begeistert und voller Staunen über die Wunder der Welt. Naiv und weltfremd sieht er überall nur Gnade, er missversteht die Situationen und ignoriert die Hilferufe Kurrubis. So kann das in diese Welt gekommene Mädchen auch vom Himmel keine Hilfe erwarten, ganz auf sich allein gestellt, ist es einer fremden und feindseligen Wirklichkeit ausgeliefert. Sein einziger Retter ist Akki, der die Erde liebt wie der Engel, der sie aber gleichzeitig in ihrem ganzen Wesen versteht und ihr deshalb auch gewachsen ist. Er führt Kurrubi von den Menschen verstoßen, vom Himmel verlassen in ein neues Land.

Manfred Wurz (Obertheologe), Maria Obenaus (Kurrubi), Andreas Krenner (Erzminister), Erich Bräuer (Henker)
Manfred Wurz (Obertheologe), Maria Obenaus (Kurrubi), Andreas Krenner (Erzminister), Erich Bräuer (Henker)
Josef Apfelthaler (König Nebukadnezar), Gerald Kunc (Exkönig Nimrod)
Josef Apfelthaler (König Nebukadnezar), Gerald Kunc (Exkönig Nimrod)
Das Volk von Babylon: Margit Weikartschläger, Robert Riedl, Oswald Bräuer, Rudolf Gloser, Rudolf Fronhofer
Das Volk von Babylon: Margit Weikartschläger, Robert Riedl, Oswald Bräuer, Rudolf Gloser, Rudolf Fronhofer

Besetzung

Das Mädchen Kurrubi
Der Bettler Akki
König Nebukadnezar
Exkönig Nimrod
Der Kronprinz
Der Erzminister
Der Obertheologe Utnapischtim
Der Urgeneral
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Dritter Soldat
Ein Polizist
Der Bankier Enggibi
Die Hetäre Tabtum
Erster Arbeiter
Zweiter Arbeiter
Erste Arbeiterfrau
Zweite Arbeiterfrau
Der Feierliche
Ein Henker
Der Eselsmilchverkäufer Gimmil

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